LEO offenbarte: Die Zahl dieser so genannten funktionalen Analphabeten
(siehe Stichwort) lag höher als bislang geschätzt. Bis zum Jahr 2010 ging
man in Deutschland von 4 Millionen aus. Laut LEO sind es fast doppelt so
viele: 7,5 Millionen – unter ihnen überdurchschnittlich viele Zuwanderer.
Sie haben Deutsch als Zweitsprache erlernt. Davon ungeachtet können
sie ihre Muttersprache vollkommen beherrschen – mündlich wie schriftlich.
Um an der Studie teilzunehmen, mussten die Probanden Deutsch
zumindest sprechen und hörend verstehen können.
Mit dem Zustrom an Flüchtlingen gewinnen die LEO-Ergebnisse an
Aktualität und Bedeutung. An ihnen wird klar, wie schwer es bereits
bislang war, Menschen mit einer anderen Muttersprache zu motivieren und
zu befähigen, Deutsch als Schriftsprache zu beherrschen. Nicht
vergessen: Alle LEO-Daten stammen aus dem Jahr 2010.
Als barrierefreie Sprache hilft Leichte Sprache nicht nur Menschen mit
Lernbehinderung. Sie ist auch ein guter Einstieg für Sprachschüler und ein
Mittel der Integration. Daran kann sich eine Einfache Sprache als nächst
höheres Leseniveau anschließen. Außerhalb des Unterrichts und neben
der übrigen Lernlektüre stehen den Deutschlernern nur wenige Texte in
Leichter oder Einfacher Sprache zur Verfügung.
Im Gespräch mit einer Volkshochschul-Leiterin in der Pfalz über
sprachliche Vereinfachung erklärte sie: Ihr Team wolle Zugewanderten
entgegenkommen. Deshalb biete die Volkshochschule Infos nicht nur in
Deutsch, sondern auch in Türkisch oder Russisch an. Dagegen würden
Informationen noch nicht in Leichte oder Einfache Sprache übersetzt,
obwohl dies ihr zufolge der Integration näher komme. yvw
Stichwort: Begriffe und Größenordnung
Die Sprachwissenschaft unterscheidet zwischen Analphabeten und
funktionalen Analphabeten. Zu den Analphabeten zählen diejenigen, die
keine Sätze lesen können. Diese Menschen sind zwar im Stande, einzelne
Wörter zu lesen, aber nur sehr langsam und Buchstabe für Buchstabe.
Laut LEO-Studie leben in Deutschland 0,6 Prozent „reine“ Analphabeten
im erwerbsfähigen Alter (18 bis 64 Jahre). Das sind rund 300.000
Menschen.
Funktionale Analphabeten können zwar Wörter lesen, oft auch Sätze.
Texte - selbst kürzere - überfordern sie jedoch. Die Betroffenen sind nicht
im Stande, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, weil in unserem
Alltag Schriftsprache allgegenwärtig ist. Meist verfügen funktionale
Analphabeten über einen Helfer in der Familie, der ihnen das Lesen und
Schreiben abnimmt. Ihr Anteil in der Altersgruppe 18 bis 64 Jahre liegt bei
13,9 Prozent, das sind 7,2 Millionen.
Weitere 25,9 Prozent (13,3 Millionen) können Sätze und Texte nicht flüssig
lesen. Sie lesen langsam und fehlerhaft. Ihre Rechtschreibung genügt
nicht den Anforderungen der 4. Klasse. Die Betroffenen meiden Lesen und
Schreiben.
Rechnet man diese drei Gruppen zusammen, sind in Deutschland
insgesamt 40 Prozent der Bevölkerung nicht in der Lage,
ausreichend zu lesen und zu schreiben.
Die Zahlen stammen aus dem Jahr 2010. Sie berücksichtigen nicht all
jene, die kein Deutsch sprechen – und damit logischerweise auch nicht
schreiben. Die Autoren weisen darauf hin: „Würde man auch
Zugewanderte ohne mündliche Deutschkenntnisse hinzuziehen (…),
müssten diese Personen der Zahl von 7,5 Millionen noch einmal
hinzugezählt werden.“ yvw
12. Dezember 2016
Einfache und Leichte Sprache für Flüchtlinge
Eine Studie zur Lesefähigkeit offenbarte schon vor fünf Jahren, wo es hapert
Als vor fünf Jahren die Level-One-Studie (kurz LEO-Studie) erschein, ging ein Ruck durch Deutschland.
Hamburger Wissenschaftler hatten erstmals ermittelt, wie viele Menschen nicht richtig lesen und schreiben
können – so schlecht, dass sie nicht am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können.
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