17. Oktober 2018
Wie werden Informationen richtig vermittelt?
Tagung am Deutschen Historischen Museum in Berlin
Wie wirken geschriebene Texte auf Museumsbesucher? Wie nehmen Sie Information auf? Brauchen
Museen eine verständliche Sprache für alle oder eine Auswahl zwischen leichten und anspruchsvollen
Texten? Viele Fragen, einige Antworten, aber vor allem viele Anstöße für Forschung und Praxis lieferte die
Tagung „Sprache und Vermittlung – Kommunikation in Ausstellungen“ am Deutschen Historischen Museum
(DHM) in Berlin. Zu den 150 Teilnehmern zählten Museumsfachleute, Politiker, Fachleute für Leichte
Sprache sowie Sprachwissenschaftler.
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Dass das DHM zusammen mit der Technischen Universität Dresden die
Tagung ausrichtete, war natürlich kein Zufall. Das Museum gehört zu den
Vorreitern bei inklusiven Ausstellungen. Es hält nicht nur Angebote für
Menschen mit unterschiedlichen Handicaps bereit - Inklusion ist hier sogar
in der Ausstellungsgestaltung verankert. In der Sonderausstellung stehen
Texte in Deutsch, Englisch, Leichter Sprache, in Braille-Schrift sowie
Gebärdensprachvideos gleichberechtigt nebeneinander. Blinde Menschen
können sich durch ein taktiles Leitsystem am Boden orientieren. So wird
Barrierefreiheit und Inklusion auch für alle sichtbar - ein Erlebnis, das nur
wenige Museen in Deutschland bescheren.
So offen, wie sich das DHM seinen Besuchern zeigt, präsentierte sich es
auch den Tagungsteilnehmern. Die staunten nicht schlecht über den
Auftakt: Volker Schönert hatte untersucht, wie Besucher die vergangene
DHM-Sonderausstellung „1917. Revolution. Russland und Europa“
wahrgenommen haben – insbesondere die Texte. Er berichtete, wie
intensiv sie Texte lasen und was sie abschreckte. Er stellte auch fest, dass
Besucher durchaus nicht das erfahren haben, was sie sich wünschten.
Schönert gab Empfehlungen, wie Texte richtig in eine Ausstellung integriert
werden.
Dass das DHM die Kritik am eigenen Haus öffentlich macht, hat die Zuhörer
verwundert. Das Museum gab aber noch eins drauf und lud die
Tagungsteilnehmer zum Rundgang durch die aktuelle Sonderschau
„Europa und das Meer“ ein. Die Aufgabe: Kritik äußern – positive wie
negative – und Verbesserungsvorschläge notieren.
So viel mutige, offene Standortbestimmung verdient Respekt, war der
allgemeine Tenor. Brigitte Vogel-Janotta, Leiterin der Abteilung Bildung und
Vermittlung, sieht das dagegen ganz pragmatisch. „Wir finden uns gar nicht
mutig“, sagte sie. „Wir sind auf dem Weg – hoffentlich auf dem richtigen.“
Dazu gehört für das Haus, immer wieder zu überprüfen, ob die Richtung
stimmt. Das Ziel lautet: „Wir wollen möglichst viele Besucher über
Geschichte informieren“, erklärte Vogel-Janotta.
Aber wie erreicht man dieses Ziel? Der wohl wichtigste Impuls lautete:
Zielgruppen sollten viel stärker in die Textgestaltung und ins
Ausstellungskonzept einbezogen werden. Wie das praktisch aussehen
kann, stellte Nadja Al-Masri vom Salzburg-Museum dar. Dieses Haus
befindet sich auf dem gleichen Weg wie das DHM. Es sammelt
Erfahrungen, lernt aus Fehlern.
Zum Einbeziehen der Zielgruppen, vor allem Menschen mit
Lernbehinderung, passte der Vortrag von Saskia Schuppener (Universität
Leipzig). Sie stellte die teilhabende Forschung vor. Menschen mit Handicap
gestalten in Leipzig Forschungsprozesse mit, bestimmen Themen, bringen
sich sogar in die Lehre ein.
Bettina Bock (Universität Köln) und Alexander Lasch (Technische
Universität Dresden) befassten sich mit der Leichten Sprache aus
sprachwissenschaftlicher Sicht und präsentierten einige
Forschungsergebnisse. Bock ging der Frage nach: Wie schafft man
qualitativ gute Leichte-Sprache-Texte? Dabei zeigte sie verschiedene
Dimensionen auf, die guten Texten zugrunde liegen, stellte aber gleichzeitig
fest: „Es gibt keine absolut verständlichen Formulierungen.“
Dem stimmte Alexander Lasch zu. „Verständlichkeit ist relativ“, sagte er und
erklärte: Häufig benutzte Wörter würden Verständlichkeit schaffen.
Wortschatz sei aber individuell. Er decke sich nicht zwangsläufig mit häufig
benutzten Wörtern im allgemeinen Sprachgebrauch.
Bock und Lasch übten Kritik an den Regeln des Netzwerks Leichte Sprache
und gingen auf das Stigma ein, dem Leichte Sprache anhaftet. „Verflachter“
Wortschatz, verkürzter Inhalt oder häufiger Einsatz umstrittener
Piktogramme: Leichte Sprache weicht vom Standard ab. Das sorgt dafür,
dass sie als bildungsfern wahrgenommen wird.
Es kann aber auch anders sein. Von positiven Reaktionen berichtete Nadja
Al-Masri. Sie berichtete von einer Befragung: Museumsbesucher in
Salzburg hätten Leichte-Sprache-Texte nicht als Angebot für Menschen mit
Behinderung gesehen. Deren Meinung nach sei Leichte Sprache geeignet
für alle, die es eilig haben und sich schnell informieren wollen oder für
diejenigen, die nur schlecht Deutsch sprechen. Knapp die Hälfte der
Besucher habe die Texte in Leichter Sprache gelesen, informierte Al -Masri.
Inwieweit braucht die Gesellschaft überhaupt Leichte Sprache? Ist eine
einfache, gut verständliche Sprache, die vom Großteil der Menschen
beherrscht und akzeptiert wird, nicht die bessere Lösung? Das wird das
Salzburg-Museum in einer kommenden Ausstellung ausprobieren, kündigte
Al-Masri an. Das DHM sieht das skeptisch, offenbarte Brigitte Vogel-Janotta
und sprach sich für Texte auf unterschiedlichem Sprachniveau aus.
Selbst wenn Texte gut verständlich sind – sie müssen auch gut gestaltet
sein. Das ist entscheidend, wenn Kommunikation gelingen soll. „Das
Design wird bei Leichter Sprache oft vernachlässigt“, stellte
Kommunikationsdesignerin Sabina Sieghart fest. Sie stellte
Studienergebnisse zur Leserlichkeit verschiedener Schriften vor und zeigte
Gestaltungen, die nicht dem typischen Leicht-Sprache-„Design“ folgen.
Website des Deutschen Historischen Museums
Vortrag von Alexander Lasch „Leichte Sprache im öffentlichen Raum“
+49 (0) 62 32 6 84 2 84 9
Foto: Wagner